Keine Haftung des nichtanwaltlichen Restrukturierungsberaters für Insolvenzverschleppung

Erfurt
05.07.2019

Anmerkung zu Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main (Urteil vom 29.03.2019 – 8 U 218/17)

Ein Restrukturierungsberater, dessen vertragliche Leistungspflichten konkret umschrieben und als abschließend fixiert zu verstehen sind, haftet nicht für die Insolvenzverschleppung des Kunden, sofern die Beratung in steuerlichen und rechtlichen Angelegenheiten vertraglich ausgeschlossen wurde, so das OLG Frankfurt in einer aktuellen Entscheidung.

Konkret ging es hier um die nichtanwaltliche Restrukturierungsberaterin der Solon SE, einem der einstmals größten europäischen Solarmodulhersteller, die von deren Insolvenzverwalter auf Schadensersatz in zweistelliger Millionenhöhe verklagt worden war. Die Insolvenz sei vor dem Hintergrund eingetretener Überschuldung, auf welche die Beraterin hätte hinweisen müssen, verschleppt worden. Der wahrzunehmende Beratungsumfang war vertraglich katalogmäßig erfasst, die steuerliche und rechtliche Beratung ausdrücklich ausgeschlossen worden.

Das OLG Frankfurt hat die vorinstanzliche Entscheidung, nach welcher die Schadenersatzklage mangels Verletzung der Vertragspflichten abgewiesen worden war, bestätigt. Der Beratungsvertrag lasse über die aufgezählten Leistungspflichten hinaus nicht erkennen, dass die Restrukturierungsberaterin auf eine Insolvenzantragspflicht habe hinweisen sollen. Die Prüfung, wann eine Überschuldung vorliegt und ob eine positive Fortführungsprognose gestellt werden kann, betreffe eindeutig Rechtsfragen, welche aber nicht Gegenstand der geschuldeten Beratung seien.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, und es bleibt abzuwarten, welche Position der Bundesgerichtshof (BGH) zu der Problematik einnehmen wird. Bekanntlich hatte der BGH für den mit der Erstellung von Jahresabschlüssen beauftragten Steuerberater eine Hinweispflicht bei Insolvenzreife bejaht (BGH v. 26. Januar 2017 – IX ZR 285/14). Für die Zukunft wird vor allem von Interesse sein, ob und in welchem Umfang (auch) der steuerliche und der anwaltliche Berater durch entsprechende Vertragsgestaltung die Verschleppungshaftung, die sich unter Umständen, unter dem Gesichtspunkt der Beihilfe, auch aus Delikt ergeben könnte, auszuschließen vermögen.

Marcello Di Stefano, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Insolvenzrecht