Drohende Insolvenzanfechtung nach erfolglosem Sanierungsversuch des Schuldners
Es gibt wohl kaum einen Unternehmer, der während seiner Geschäftstätigkeit nicht schon einmal mit der Insolvenz eines Geschäftspartners konfrontiert war und oftmals sogar als Anfechtungsgegner in Anspruch genommen wurde. Zahlungen über einen längeren Zeitraum, oftmals sogar Jahre, werden dann von einem Insolvenzverwalter zurückgefordert.
Rechtliche Grundlage eines solchen Anfechtungsanspruchs sind die §§ 133 Abs. 1 S. 1, 143 Abs. 1 S. 1 InsO. Danach ist eine Rechtshandlung des Schuldners anfechtbar, die der Schuldner mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte.
Die Frage, wann der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz dem Anfechtungsgegner bekannt war, ist Inhalt einer Vielzahl gerichtlicher Entscheidungen.
Was aber ist zu tun, wenn ein Geschäftspartner ein Sanierungskonzept übersendet, dem zu entnehmen ist, dass dieser (drohend) zahlungsunfähig ist? Ist einem dann nicht die fehlende Liquidität des Geschäftspartners bekannt und zu befürchten, weiterhin erhaltene Zahlungen einem späteren Insolvenzverwalter zurückzahlen zu müssen?
Mit Urteil vom 12.05.2016 (IX ZR 65/14) hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass das Bewusstsein der Benachteiligung anderer Gläubiger in den Hintergrund tritt, wenn die angefochtene Rechtshandlung Bestandteil eines ernsthaften Sanierungsversuches ist, auch wenn dieser letztlich fehlgeschlagen ist.
Allerdings werden Anforderungen an ein vorsatzausschließendes schlüssiges Sanierungskonzept gestellt:
So ist auf der Schuldnerseite zunächst Voraussetzung, dass zu der Zeit der angefochtenen Handlung ein schlüssiges, von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgehendes Sanierungskonzept vorlag, das mindestens in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt war und die ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg rechtfertigte. Die bloße Hoffnung des Schuldners auf eine Sanierung räumt seinen Benachteiligungsvorsatz nicht aus.
Bei einem Sanierungsvergleich muss mindestens die Art und Höhe der Verbindlichkeiten, die Art und Zahl der Gläubiger und die zur Sanierung erforderlichen Quoten des Erlasses der Forderungen festgestellt werden.
Nicht notwendig ist hingegen die Einbeziehung sämtlicher Gläubiger. Ein Sanierungsversuch kann auch aussichtsreich sein, wenn sich die beabsichtigten Maßnahmen nur auf einen Teil der Gläubiger erstrecken, etwa, wenn umfangreiche Forderungsverzichte der Hauptgläubiger dem Schuldner neue Liquidität verschaffen, mittels derer er in die Lage versetzt wird, seine übrigen Gläubiger vollständig zu befriedigen.
Da eine Zustimmung aller Gläubiger regelmäßig nicht zu erreichen ist, muss eine Zustimmungsquote nach Schuldenstand festgelegt werden, ggf. für unterschiedliche Arten von Gläubigergruppen sowie die Behandlung nicht verzichtende Gläubiger. Ggf. sind Art und Höhe einzuwerbenden frischen Kapitals darzustellen sowie die Chance, dieses tatsächlich zu gewinnen.
An bestimmte formale Erfordernisse ist der Sanierungsplan nicht gebunden, so muss er nicht Anforderungen erfüllen, wie sie etwa das Institut für Wirtschaftsprüfer e.V. in der IDW Standard S6 aufgestellt hat.
Den Gläubiger, der über die (drohende) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und die Gläubigerbenachteiligung unterrichtet ist, trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er spätere Zahlungen auf der Grundlage eines schlüssigen Sanierungskonzepts erlangt hat.
Hinsichtlich der Kenntnis vom Vorliegen der Voraussetzungen eines ernsthaften Sanierungsversuches sind allerdings nicht dieselben Anforderungen zu stellen, wie sie für den Schuldner oder dessen Geschäftsführer gelten. Der Anfechtungsgegner muss aber zumindest konkrete Umstände darlegen und beweisen, die es naheliegend erscheinen lassen, dass ihm im Hinblick auf den Sanierungsversuch der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners unbekannt geblieben war.
Er kann nur dann von einem schlüssigen Sanierungskonzept des Schuldners ausgehen, wenn er in Grundzügen über die wesentlichen Grundlagen des Konzepts informiert ist; dazu gehören die Ursachen der Insolvenz, die Maßnahmen zu deren Beseitigung und eine positive Fortführungsprognose. Auf die Angaben des Schuldners oder seines beauftragten Sanierungsberaters darf er vertrauen, solange er keine (erheblichen) Anhaltspunkte dafür hat, dass er getäuscht werden soll oder dass der Sanierungsplan keine Aussicht auf Erfolg hat.
In dem Fall, in dem der Gläubiger, der im Rahmen einer Sanierungsvergleich quotal auf seine Forderungen in der Annahme verzichtet, andere Gläubiger verzichteten in ähnlicher Weise, kann von einer Sanierung des Schuldnerunternehmens allein durch diese Maßnahme nur ausgehen, wenn nach seiner Kenntnis die Krise allein auf Finanzierungsproblemen, etwa dem Ausfall berechtigter Forderungen des Schuldners, beruht. Beruht die Insolvenz des Schuldners auf dem dauerhaft unwirtschaftlichen Betrieb des Unternehmens, kann der Gläubiger von einem erfolgversprechenden Sanierungskonzept nur ausgehen, wenn der Schuldner oder dessen Berater zumindest die Grundlagen einer weitergehenden Sanierung schlüssig dargelegt hat.
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass auch dann, wenn wirtschaftliche Schwierigkeiten eines Geschäftspartners evident sind, dies nicht zum Bruch der Geschäftsverbindung führen muss, wenn dieser zugleich ein schlüssiges Sanierungskonzept vorlegt. Wichtig ist dabei, dass das Konzept erfolgversprechend ist. Selbst wenn der Sanierungsversuch letztlich nicht erfolgreich war, kann ein späterer Insolvenzverwalter geleistete Zahlungen nicht anfechten.
Rechtsanwältin und Fachanwältin für Insolvenzrecht Anett Jäkel