BGH stärkt gewerblichen Mietern den Rücken

Dresden / Karlsruhe
12.01.2022

Der u.a. für Gewerberaummietverhältnisse zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12.01.2022 ein mit Spannung erwartetes Urteil zum Umgang mit den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie verkündet. Die Bedeutung der Entscheidung wird nicht nur daraus ersichtlich, dass sie zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs vorgesehen ist, sondern auch daraus, dass sie bereits am Tag ihrer Verkündung auf der Internetseite des Gerichts veröffentlicht wurde, was sehr ungewöhnlich ist.

Bekanntermaßen hat der Gesetzgeber am 27.03.2020 im Bundesgesetzblatt Teil I das – ebenfalls sehr selten – erst am selben Tag beschlossene und ausgefertigte Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht verkündet (BGBl. I 2020, 569). Zu diesen Pandemiefolgen gehören u.a. Umsatzverluste von Einzelhändlern, die von behördlich angeordneten Betriebsschließungen betroffen sind und infolgedessen die geschuldete Gewerberaummiete nicht mehr (vollständig) zahlen können bzw. wollen. Im zugrundeliegenden Fall ging es um eine Filiale des bekannten Einzelhändlers KiK in Chemnitz und die für den Zeitraum einer behördlich angeordneten Betriebsschließung vom 19. bis 31.03.2020 nach Auffassung von KiK überzahlte Miete.

Der Bundesgerichtshof entscheidet zunächst, dass Art. 240 § 2 EGBGB (Ausschluss des Kündigungsrechts des Vermieters bei pandemiebedingtem Zahlungsverzug des Mieters) keine abschließende Sonderregelung trifft, dass also das schuldrechtliche Leistungsstörungsrecht des BGB unabhängig davon weiterhin Anwendung findet. Dies eröffnet dem Mieter gewerblich genutzter Räume grundsätzlich einen Anspruch auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1 BGB. Diese Anpassung erfolgt aber nicht pauschal bzw. schematisch durch Herabsetzung der Miete um die Hälfte, sondern unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls. Zu den bei der Anpassung zu berücksichtigenden Umständen gehören: der konkrete Umsatzrückgang in dem konkreten Mietobjekt; vorhandene Verlustmeidungsmöglichkeiten des Mieters; die Kompensation durch dem Mieter gewährte sog. Corona-Hilfen; die Kompensation durch Leistungen eines Betriebsausfallversicherers. Unabhängig davon, wie die genauen Umstände der jeweiligen Einzelfälle zu beurteilen sind, ist damit zugunsten betroffener Gewerberaummieter abschließend geklärt, dass diese einen Anspruch auf Anpassung der Miete haben. Eine zweifellos erfreuliche Entscheidung.

Dr. Thomas Wazlawik LL.M. (St. Louis University)

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Insolvenzrecht