Insolvenzanfechtung: Gesetzesänderung in Kraft getreten

31.05.2017

Insolvenzanfechtung: Gesetzesänderung in Kraft getreten Seit dem 5. April 2017 gilt, nach langem Hin und Her, eine neues Insolvenzanfechtungsrecht. Durch die Gesetzesänderung sollen die Rechte der einzelnen Gläubiger geschützt werden, was aber nur partiell gelungen ist.

Für Insolvenzverfahren, die an diesem Tage oder später eröffnet worden sind, gelten gegenüber der bisherigen Gesetzesfassung folgende Änderungen:

  • Anfechtungsfrist: Der Anfechtungszeitraum des § 133 InsO für Deckungshandlungen (Bezahlung von Lieferungen und Leistungen) wurde von zehn auf vier Jahre reduziert. Für (unerlaubte) Vermögensverschiebungen bleibt es aber bei der zehnjährigen Frist.
  • Gesetzliche Vermutung der Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungs-vorsatz: Es wird gem. § 133 Abs. 1 S. 2 InsO hinsichtlich der Kenntnis nicht mehr an die „drohende“, sondern an die bereits „eingetretene“ Zahlungsunfähigkeit angeknüpft, aber nur, wenn eine kongruente Deckung vorlag. Dies ist nur der Fall, wenn die Art und Weise der Zahlung den ursprünglich getroffenen Vereinbarungen entsprach.
  • Ratenzahlungen: Wenn der Anfechtungsgegner dem Schuldner Zahlungserleichterungen oder Zahlungsaufschub gewährt hat, wird gesetzlich vermutet, dass er eine etwaige Zahlungsunfähigkeit nicht kannte. Der Insolvenzverwalter muss in diesen Fällen also den Beweis führen, dass der Anfechtungsgegner hiervon Kenntnis hatte.
  • Privilegierte Bargeschäfte können nur noch erfolgreich angefochten werden, wenn der Anfechtungsgegner erkannte, dass der Schuldner „unlauter“ gehandelt hat. Gem. § 142 InsO ist eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt (Bargeschäft), nur bei Vorliegen gewisser Umstände anfechtbar. Dies setzt allerdings voraus, dass die Leistung des späteren Insolvenzschuldners kongruent war.
  • Für Arbeitsentgelte wurde der Zeitraum für das Vorliegen von Bargeschäften auf bis zu drei Monate festgeschrieben.
  • Zinsen: Anfechtungsansprüche werden nur noch ab Verzugseintritt (und nicht beginnend ab Insolvenzeröffnung) verzinst.

Es wurden also gewisse Erleichterungen zu Gunsten der Anfechtungsgegner geschaffen. Insbesondere die Abschwächung der gesetzlichen Vermutung des § 133 Abs. 1 S. 2 InsO und die nunmehr eröffnete Möglichkeit, auch im Bereich der Vorsatzanfechtung Bargeschäfte zu tätigen, sind hier zu nennen. Revolutionäre Änderungen werden sich aber im Verhältnis des Beraters, Dienstleisters oder Lieferanten zum Kunden nicht ergeben. Es ist zu erwarten, dass der BGH seiner bisher verfolgten Linie treu bleiben und dem Schutz der Gläubigergesamtheit Vorrang vor Individualinteressen geben wird. Entsprechend streng wird er die neuen Tatbestände ausformen, so gerade auch hinsichtlich des völlig unbestimmten Rechtsbegriffs unlauter. Hier liegt es nahe, anzunehmen, dass der BGH sich sehr eng an seiner bisherigen Rechtsprechung zur bargeschäftsähnlichen Lage (keine Privilegierung wenn deutlich wird, dass der Schuldner weitere Verluste anhäuft und daher eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung durch Zahlung an den Leistungserbringer erfolgt) orientieren wird. Hinsichtlich der Ratenzahlungsvereinbarungen sind, angesichts der bisherigen neueren BGH-Rechtsprechung hierzu, in der Praxis ebenfalls keine tiefgreifenden Änderungen zu erwarten.

Nach alledem gilt für Berater, Dienstleister und Lieferanten auch jetzt und in Zukunft:

  • Die Entgegennahme inkongruenter Leistungen des Kunden ist unbedingt zu vermeiden.
  • Es ist stets zeitnah (und angemessen) abzurechnen und zu kassieren (30-Tage-Frist). Wenn ersichtlich ist, dass der Kunde sich fortdauernd in einem wirtschaftlichen „Abwärtsstrudel“ befindet und kein tragfähiges Sanierungskonzept vorliegt, sind die Leistungsvergütungen in höchster Gefahr. In einem solchen Fall muss auch über eine Einstellung bzw. Beendigung der Leistungen für diesen Kunden nachgedacht werden, soweit diese im Kontext der Fortführung dessen defizitären Betriebes erfolgen.
  • Es ist unbedingt darauf zu achten, dass Ratenzahlungsvereinbarungen genau eingehalten werden.

Das Recht der Insolvenzanfechtung bleibt eine hochkomplizierte Materie. Fragen hierzu beantworten wir Ihnen gerne.